CARLO MARIA GIULINI DIRIGIERT BRAHMS – CHICAGO SYMPHONY ORCHESTRA

Johannes Brahms [1833-1897]

Symphonie Nr. 4 in e-Moll op. 98

I. Allegro non troppo

Chicago Symphony Orchestra

Carlo Maria Giulini, Leitung

1969

Brahms’ vierte Sinfonie ist eine Urlaubs-Komposition. Er schrieb sie während zweier Sommer 1884/85 im steirischen Mürzzuschlag. Von seinem Feriendomizil aus schickte er den ersten Satz an seine Freundin Elisabet von Herzogenberg: ‘Dürfte ich Ihnen etwa das Stück eines Stückes von mir schicken, und hätten Sie Zeit, es anzusehen und mir ein Wort zu sagen? Im Allgemeinen sind ja die Stücke von mir angenehmer als ich, und findet man weniger daran zu korrigieren?! Aber in hiesiger Gegend werden die Kirschen nicht süß und eßbar – wenn Ihnen das Ding also nicht schmeckt, so genieren Sie sich nicht. Ich bin gar nicht begierig, eine schlechte Nr. 4 zu schreiben.’

Johannes Brahms

Im Antwortbrief mischten sich leise Bedenken unter die anerkennenden Worte: ‘Man wird nicht müde, hineinzuhorchen und zu schauen auf die Fülle der geistreichen Züge, seltsamen Beleuchtungen, rhythmischer, harmonischer und klanglicher Natur. Aber […] es ist mir, als wenn eben diese Schöpfung zu sehr auf das Auge des Mikroskopikers berechnet wäre, als wenn nicht für jeden einfachen Liebhaber die Schönheiten alle offen da lägen, und als wäre es eine kleine Welt für die Klugen und Wissenden […] Ich habe eine Menge Stellen erst mit den Augen entdeckt.’ Die Skepsis der Freundin wich bald großer Begeisterung; doch spiegeln sich gerade in diesen kritischen Zeilen die Besonderheiten von Brahms’ vierter Sinfonie wider. Die Themen und Motive sind äußerst kunstvoll ineinander verschlungen, das eine wächst aus dem anderen. Brahms arbeitet mit strengster Ökonomie, ohne große Zugeständnisse an die Fasslichkeit zu machen.
Meisterwerk der Ökonomie

So weist der Kopfsatz – entgegen der Tradition – kein ausgeprägtes Hauptthema auf, sondern nimmt seinen Ausgang aus einer Kette fallender Terzen, die wie Seufzer voneinander getrennt sind. Die weiteren Themen und Motive entwickeln sich aus diesem Kern, doch unterscheiden sie sich in ihrem Charakter grundlegend voneinander. Brahms gelingt es, elegische, trotzig-triumphierende und geheimnisvolle Passagen eng miteinander zu verzahnen.
Doris Blaich

by berlinzerberus

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